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D.A. (Doris) Klüsener
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Gerichtsstandsklauseln in AGB / Eine Entscheidung zu Artikel 25 Brüssel Ia-Verordnung

Lesezeit: 10 Minuten | Datum der Publikation: 26-10-2021 | Typ: Blog/Artikel

Internationale Gerichtsstandsklauseln

Viele international tätige deutsche Unternehmen, die mit Geschäftspartnern in den Niederlanden Handel treiben – und umgekehrt - handhaben in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) eine sogenannte Gerichtsstandsklausel. Hierin ist festgelegt, welches Gericht im Falle eines Rechtsstreits (international) zuständig sein soll. Die Frage der Einbeziehung einer solchen Gerichtsstandsklausel wirft allerdings in internationalen Konstellationen erhebliche Fragestellungen und Probleme auf, wie Frau Rechtsanwältin Doris Klüsener nachfolgend an einer Entscheidung des Landgerichts Mosbach zum Internationalen Kaufrecht aufzeigt.

Gericht Deutschland oder Gericht Deutschland - Gerichtsstandklauseln in AGB

Fall: Deutsche Lieferantin vs. niederländische Einkäuferin (Landgericht Mosbach)

Das Landgericht Mosbach (Aktenzeichen 1 O 72/18) hat am 31.07.2019 ein lesenswertes und aufschlussreiches Urteil gefällt zu der Frage, wann durch Hinweise auf Gerichtsstandsklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Parteien im Rahmen von (Kauf-)Vertragsverhandlungen davon ausgegangen werden kann, dass die Voraussetzungen des Art. 25 Brüssel Ia-Verordnung erfüllt sind.

 

In dem zugrunde liegenden Fall belieferte die Klägerin mit Sitz in Deutschland die Beklagte, die ihren Sitz in den Niederlanden hat, mit Waren. Die Klägerin machte Kaufpreisansprüche aus Warenlieferungen gegen die Beklagte vor dem Landgericht Mosbach geltend. Die niederländische Beklagte wurde in diesem Verfahren von unserer deutschen Rechtsanwältin Doris Klüsener vertreten.

 

AGB in E-Mails

Der Kontakt zwischen den Parteien im Rahmen der Bestellungen hatte über Schriftverkehr via E-Mail stattgefunden. Die Klägerin wies in ihren E-Mails jeweils am Ende auf ihre im Internet abrufbaren AGB hin. Gleichzeitig enthielten auch die Bestellungen der Beklagten per E-Mail (übersetzt) jeweils den Hinweis: „Allgemeine Geschäftsbedingungen registriert bei den Handelskammern (…) Eine Kopie wird auf Anforderung übersandt.“

Die AGB der Klägerin enthielten eine Gerichtsstandsklausel für den Sitz der Klägerin (Deutschland), während die AGB der Beklagten eine Klausel für den Sitz der Beklagten enthielten (Niederlande).

 

Prüfung der internationalen Zuständigkeit durch das Gericht

Das Gericht hatte zu prüfen, ob es international zuständig ist. Insbesondere war die Frage zu untersuchen, ob sich die internationale Zuständigkeit aus einer zwischen den Parteien vereinbarten Gerichtsstandsvereinbarung ergab und ob die Formvoraussetzungen des Art. 25 der Brüssel Ia-VO (Verordnung EU Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen; auch als EuGVVO bezeichnet) erfüllt waren.

 

Vortrag der Klägerin

Die Klägerin trug u.a. vor: Durch Anklicken der auf den elektronischen Dokumenten angebrachten Hyperlinks der Klägerin sei es der Beklagten ohne weiteres möglich gewesen, die AGB aufzurufen und einzusehen. Indem die Beklagte in ihren Bestellungen das Angebot der Klägerin angenommen habe, habe sie sich auch mit der Geltung der AGB einverstanden erklärt. Auch sei wegen der Häufigkeit der Geschäftsvorfälle eine Gepflogenheit entstanden und es sei von einem internationalen Handelsbrauch auszugehen.

 

Vortrag der Beklagten

Die Beklagte hat die internationale Zuständigkeit des Gerichts gerügt. Sie hat sich unter anderem darauf berufen, dass in den eigenen Bestellungen auf die Anwendbarkeit der eigenen AGB verwiesen wird, welche eine Gerichtsstandsklausel zu ihren Gunsten enthalten. Die Voraussetzungen des Art. 25 Brüssel Ia-VO seien im Übrigen in keinster Weise erfüllt. Es ermangele insbesondere an einer Vereinbarung – sprich einer tatsächlichen Willenseinigung – im Hinblick auf einen deutschen Gerichtsstand.

 

Die Entscheidung des Gerichts

Das Landgericht Mosbach hat die internationale Zuständigkeit verneint, da zwischen den Parteien keine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung zu Stande gekommen ist. Sie hat die Klage daher als unzulässig abgewiesen.

 

Dabei hat das Gericht zusammengefasst die folgenden Aspekte dargelegt:

  • Nach Art. 2 Abs. 1 Brüssel Ia-VO ist die Beklagte, die ihren Sitz in den Niederlanden hat, grundsätzlich vor einem Gericht ihres Staates zu verklagen.
  • Die Voraussetzungen des Art. 25 Abs. 1 Brüssel Ia-VO sind nicht gegeben.

 

Tatsächliche Willenseinigung?

Hierfür wäre eine tatsächliche Willenseinigung der Parteien über den Gerichtsstand erforderlich gewesen. Eine Gerichtsstandsvereinbarung in AGB genügt aber nur der Schriftform, wenn feststeht, dass der andere Vertragsteil bei Anwendung normaler Sorgfalt von der Klausel Kenntnis nehmen konnte und seine schriftlich erteilte Zustimmung auch die in den AGB enthaltene Gerichtsstandsvereinbarung erfasst. Die Klausel darf keinesfalls unbemerkt „untergeschoben“ werden.

 

Die Klägerin hatte zwar in ihren Angeboten auf ihre über einen Link im Internet abrufbaren AGB hingewiesen, die eine Gerichtsstandsklausel enthalten. Allein dieser Hinweis in den Angeboten sei jedoch nicht ausreichend, um eine Zustimmung der Beklagten festzustellen, so das Landgericht Mosbach. Bei dem Hinweis auf die im Internet abrufbaren AGB bleibt nämlich im Unklaren, ob sich die Willenserklärung des Gegners auch auf die Geltung der AGB und die dort enthaltene Gerichtsstandsklausel bezieht.

 

Schriftliche Zustimmung im Sinne von Art. 25 Brüssel Ia-Verordnung?

Auch fehle es an einer schriftlichen Zustimmung im Sinne von Art. 25, wenn die andere Vertragspartei dem Angebot ausdrücklich oder implizit durch den Hinweis auf eigene anderslautende AGB widerspricht, wie es hier der Fall war. Die Beklagte hatte in ihren Bestellungen ihrerseits jeweils Bezug genommen auf ihre eigenen AGB, die eine den klägerischen AGB widersprechende Gerichtsstandsklausel enthalten. Durch die Erwähnung der eigenen AGB in den Bestellschreiben hat die Beklagte letztlich Zweifel daran geweckt, ob sie sich mit der Geltung der AGB der Klägerin einverstanden erklärt. Diese Zweifel gehen zu Lasten der Klägerin. Es kommt dabei nicht darauf an, ob die Gerichtsstandsklausel der Beklagten inhaltlich der klägerischen Gerichtsstandsklausel entspricht. Die AGB der Beklagten enthalten nämlich auch einen ausschließlichen Gerichtsstand am Sitz der Beklagten in den Niederlanden. Diese widersprechen den klägerischen AGB. Auch diese Zweifel gehen zu Lasten der Klägerin, so das Landgericht Mosbach.

 

Mündliche Vereinbarung, anschließend schriftlich bestätigt?

Das Landgericht Mosbach hat ebenfalls die Voraussetzungen des Art. 25 Abs. 1 S. 3 lit. a) 2. Fall Brüssel Ia-VO als nicht erfüllt erachtet. Diese setzen nämlich eine mündliche Vereinbarung über den Gerichtsstand – und anschließende schriftliche Bestätigung – voraus. Eine entsprechende mündliche Vereinbarung war klägerseits nicht dargelegt worden.

 

Entspricht die gewählte Form den Gepflogenheiten zwischen den Parteien (langjährige Übung)?

Das Gericht hat ebenfalls eine wirksame Einbeziehung nach Art. 25 Abs. 1 S. 3 lit. b) Brüssel Ia-VO geprüft. Demnach ist eine Gerichtsstandsvereinbarung formwirksam, wenn die gewählte Form den zwischen den Parteien entstandenen Gepflogenheiten entspricht. Auch hierfür ist allerdings das Vorliegen einer Einigung erforderlich.

 

Gepflogenheiten sind Verhaltensweisen bezüglich der Form des Vertragsschlusses, die zwischen den Parteien über einen längeren Zeitraum hinweg beachtet und zwischen den Parteien tatsächlich gelebt werden. Es sei zwar von einer Etablierung einer Gepflogenheit zum Vertragsschluss unter Verwendung elektronischer Kommunikationsmittel auszugehen, so das Landgericht Mosbach. Allerdings müsste dann die Geltung der AGB in der Anfangsphase mindestens einmal ausdrücklich vereinbart worden sein, gleich in welcher Form. Auch müssten sich die Parteien in der Praxis nach den AGB gerichtet haben.

Nach der Rechtsprechung ist eine Gerichtsstandsvereinbarung auch dann als wirksam zu betrachten, wenn die Parteien über einen längeren Zeitraum Verträge in der Weise abwickeln, dass auf Bestellung per Fax eine Auftragsbestätigung mit Hinweis auf die eine Gerichtsstandsklausel enthaltenden AGB erfolgt, sodann jeweils Lieferung und Zahlung. Aus einer solchen langjährigen Übung könne auf einen entsprechenden Einigungswillen geschlossen werden. In einem vom OLG Stuttgart (NJOZ 2008, 2648) entschiedenen Fall verband die Streitparteien allerdings eine zehn Jahre dauernde Geschäftsverbindung. In dem hier entschiedenen Fall ging es um einen Vertragszeitraum von knapp einem Jahr, wovon lediglich 26 von insgesamt 80 Bestellungen unbeanstandet bezahlt worden sind. Das ist nicht ausreichend, um eine entsprechende Einigung der Parteien annehmen zu können, so das Landgericht Mosbach.

 

Internationaler Handelsbrauch / Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben

Das Gericht hat sich sodann noch mit den Voraussetzungen von Art. 25 Abs. 1 S. 3 lit. c) Brüssel Ia-VO beschäftigt, wonach eine Gerichtsstandsvereinbarung in einer Form geschlossen werden kann, die einem internationalen Handelsbrauch entspricht. Auch hier kann allerdings nicht auf das Erfordernis der Willenseinigung zwischen den Parteien verzichtet werden.

Das Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben kann den Formtatbestand dieses Artikels erfüllen. In jedem Fall setzt ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben aber voraus, dass ihm Vertragsverhandlungen vorausgegangen sind, in denen sich die Parteien mündlich (gegebenenfalls nur implizit) auf den Gerichtsstand geeinigt haben. Dafür war in dem entschiedenen Fall nichts ersichtlich.

 

Artikel 7 Nr. 1 b) Brüssel Ia-Verordnung

Auch hat das Gericht eine internationale Zuständigkeit auf Basis von Art. 7 Nr. 1 b) Brüssel Ia-Verordnung verneint. Weicht der reale Erfüllungsort von einer Vereinbarung ab, so begründet dieser die Zuständigkeit. Im Streitfall lag der reale Lieferort in den Niederlanden bzw. in Belgien, so dass das Gericht auch hieraus keine internationale Zuständigkeit abgeleitet hat.

 

Fazit von Rechtsanwältin Doris Klüsener

Das aufgezeigte (rechtskräftige) Urteil ist sehr instruktiv und dürfte in vielen Fällen Aufschluss bzw. Anhaltspunkte darüber geben, ob in solchen oder ähnlichen Konstellationen eine internationale Zuständigkeit (europäischer Gerichte) - vermittelt durch AGB der Parteien - bejaht werden kann.

 

Hinweise für die Praxis

Der oben aufgeführte Fall zeigt, dass eine Gerichtsstandsklausel in den AGB eines Unternehmens keinen Nutzen bringt, wenn die erforderliche tatsächliche Willenseinigung der Parteien über den Gerichtsstand nicht erzielt wird und/oder im Streitfall nicht bewiesen werden kann. Die in der Praxis vorzufindenden Hinweise in den vertragsanbahnenden Dokumenten sind häufig nicht ausreichend.

Es zeigt sich in der Praxis, dass die Parteien im Vorfeld oder im Rahmen eines Vertragsschlusses im internationalen Bereich häufig nicht auf diese Fallstricke achten. Dabei enthalten die meisten AGB der im internationalen Geschäft tätigen Unternehmen Gerichtsstandsklauseln in der Art, wie sie dem aufgezeigten Fall vor dem Landgericht Mosbach zugrunde lagen.

Solcherlei Streitfälle mit internationalen Geschäftspartnern oder Kunden lassen sich im Vorfeld vermeiden. Im besten Falle wird ein Anwalt im Vorfeld des Vertragsschlusses konsultiert, damit diese Hürden überwunden werden können.

 

Fragen und Kontakt

Bei weiteren Fragen zum Thema Gerichtsstandsklauseln in AGB in Bezug auf die Niederlande kontaktieren Sie gerne unsere deutsche Rechtsanwältin Frau Doris Klüsener, klusener@damste.nl oder über tel. +31 53 484 0000.

 

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