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Erbrecht in Deutschland und den Niederlanden im Vergleich

Lesezeit: 5 Minuten | Datum der Publikation: 02-02-2022 | Typ: Blog/Artikel | Verfasser: Lena Schminke und Doris Klüsener

Im Folgenden vergleichen wir das deutsche Erbrecht mit dem niederländischen Erbrecht. Thematisiert werden die (gesetzliche) Erbfolge in Deutschland und in den Niederlanden, das Erbrecht des überlebenden Ehegatten, die Rolle eines Testaments, bzw. Erbvertrags, sowie die Ausschlagung eines Erbes.

Erbfall Niederlande Deutschland


Einführung zu Erbfällen

Der Tod eines Menschen ist immer ein tiefgreifendes Ereignis. Neben all den Fragestellungen, die auf die Angehörigen in kürzester Zeit zukommen, stellen sich in aller Regel auch unmittelbare erbrechtliche Fragestellungen.
Insbesondere stellt sich die Frage, wie mit vorhandenem Vermögen des Verstorbenen, mit einer etwaigen letztwilligen Verfügung sowie Schulden des Erblassers umzugehen ist. Das Erbrecht bietet Regelungen für diese Fragen.

Die gesetzliche Erbfolge in Deutschland

Mit dem Todeseintritt wird automatisch die gesetzliche Erbfolge in Gang gesetzt, sofern keine letztwillige Verfügung wie z.B. ein Testament vorliegt. Das gesamte Vermögen fällt, ohne dass es einer aktiven Handlung bedarf, „automatisch“ an den bzw. die gesetzlichen Erben. Handelt es sich hierbei um mehrere Personen, formen die Erben eine Erbengemeinschaft, auf die das Vermögen zunächst zur gemeinsamen Verwaltung übergeht. 
Die Erben sind nach deutschem Recht in bestimmte Ordnungen gegliedert. Zunächst erben die Erben erster Ordnung, sofern solche vorhanden sind. Dieses sind die Abkömmlinge des Erblassers, also z.B. Kinder und/oder Enkelkinder. Sind keine Abkömmlinge vorhanden oder vorverstorben, erben die Erben zweiter Ordnung. Hierbei handelt es sich um die Eltern des Verstorbenen und dessen Geschwister bzw. deren Abkömmlinge. Sind keine Erben der zweiten Ordnung (mehr) vorhanden, sind die Erben dritter Ordnung erbberechtigt. Dieses sind die Großeltern des Verstorbenen und deren Abkömmlinge. Auf diese Weise setzt sich die Ermittlung der Erben nach weiteren Ordnungen fort.
Im Gegensatz zum niederländischen Recht, welches nur die gesetzliche Erbfolge bis zur 4. Ordnung kennt (Urgroßeltern und deren Abkömmlinge), wird nach deutschem Recht weiter ermittelt, ob es Erben weitergehender Ordnungen gibt. Letztmöglicher Erbe ist - nach dem deutschen und niederländischen Recht - der Staat, wenn keine lebende Person in einer der in Betracht kommenden Ordnungen mehr ermittelt werden kann.

Das Erbrecht des überlebenden Ehegatten in Deutschland

Neben den Erben innerhalb der Ordnungen und von ihnen losgelöst steht der überlebende Ehegatte. Sein Erbanteil bestimmt sich vor allem danach, welcher Güterstand zu Lebzeiten bestand und ob er Allein- oder Miterbe ist.
Sofern deutsches Recht anwendbar ist und nicht mittels eines Ehevertrages eine anderweitige Rechtswahl getroffen wurde, lebten die Ehegatten nach deutschem Recht bis zum Todesfall im Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Das bedeutet, dass ihre Vermögensmassen getrennt bestehen und im Falle der Auflösung der Ehe nur der erwirtschaftete Zugewinn ausgeglichen wird, da beide Ehegatten gleichermaßen vom Vermögenszuwachs in der Ehezeit profitieren sollen. 
Der überlebende Ehegatte erbt, sofern die Ehegatten im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelebt haben, quasi aus Erbrecht und Familienrecht. Neben Abkömmlingen des Verstorbenen steht ihm Viertel des Nachlasses, neben Eltern und Geschwistern die Hälfte der Erbschaft zu. Dieser Anteil wird um ein weiteres Viertel ergänzt, den sogenannten pauschalierten Zugewinnausgleich.
Der überlebende Ehegatte kann die Erbschaft allerdings auch ausschlagen. In diesem Falle kann er stattdessen den ihm zustehenden Zugewinnausgleich nach den allgemeinen Regeln verlangen sowie den erbrechtlichen Pflichtteil. Dieses kann unter Umständen für ihn eine günstigere Lösung sein als das pauschale Erhöhungsviertel neben dem regulären Erbteil. Haben die Ehegatten zu Lebzeiten in Gütertrennung gelebt und sind zum Zeitpunkt des Erbfalls ein oder zwei Kinder vorhanden, erben diese gemeinsam mit dem überlebenden Ehegatten zu gleichen Teilen.

Das Erbrecht des überlebenden Ehegatten in den Niederlanden

Das niederländische Recht gibt dem überlebenden Ehegatten (bzw. registrierten Partner) ein besonderes Erbrecht. Der überlebende Ehegatte erhält den gesamten Aktiv- und Passivnachlass und er ist allein verfügungsbefugt, auch neben vorhandenen Kindern. Wenn es keine Abkömmlinge gibt, erbt der Ehegatte allein. Die sog. gesetzliche Verteilung (wettelijke verdeling) bringt eine Art „Super-Erbrecht“ des überlebenden Ehegatten mit sich. Er kann grundsätzlich über die Erbschaft frei verfügen. Die Kinder erhalten daneben lediglich einen Geldanspruch gegen den Elternteil in Höhe ihres gesetzlichen Erbteils und können ihren sog. Kindsteil (kindsdeel) erst unter bestimmten Voraussetzungen verlangen (Tod, Insolvenz oder private Schuldsanierung des Elternteils).
Wer die gesetzliche Erbfolge vermeiden möchte, kann eine sogenannte letztwillige Verfügung, z.B. in Form eines Testaments, errichten. So kann jeder Mensch innerhalb bestimmter Grenzen selbst bestimmen, wie mit dem Nachlass nach dem Tode umgegangen werden soll. In Deutschland umfasst der Begriff der letztwilligen Verfügung mehrere Verfügungsarten. Es gibt es auch die Möglichkeit, durch Vertrag eine rechtliche Bindung bereits zu Lebzeiten zu erreichen (gemeinschaftliches Testament bzw. Erbvertrag).
Das niederländische Recht ist dahingehend deutlich strenger. Das niederländische Recht lässt weder ein gemeinschaftliches Testament, einen Erbvertrag, einen Erbverzicht, noch einen Pflichtteilsverzicht zu. Es ist daher nicht möglich, sich verbindlich über den Tod hinaus zu binden, abgesehen von der normalen Testamentserrichtung. Nach deutschem Recht können hingegen gemeinsame Regelungen für den Todesfall getroffen werden, z.B. durch Ehegatten.





Testament und Erbvertrag


Um dafür zu sorgen, dass der Wille des Verstorbenen auch durchgesetzt wird, unterliegt die Aufsetzung eines Testaments oder Erbvertrages bestimmten Formalitäten. Inhaltlich ist darauf zu achten, dass der Wille fehlerfrei durch den Richter ermittelt werden kann, damit im Falle eines Rechtsstreits Klarheit darüber besteht, welche Vermögensverteilung zu Lebzeiten gewollt war. Zu diesem Zweck ist es ratsam, sich juristisch beraten zu lassen, um der etwaigen Unwirksamkeit der Erklärung oder Unklarheit vorzubeugen.

Testament in Deutschland

Nach deutschem Recht kann ein Testament sogar (nur) handschriftlich erstellt werden. Dazu muss der Ersteller zunächst testierfähig sein, also nicht in seiner Geistestätigkeit beeinträchtigt und mindestens 16 Jahre alt sein. Darüber hinaus muss dieses sogenannte eigenhändige Testament vom Verfasser unterschrieben sein. Neben der Unterschrift kann der Verfasser auch den Ort und das Datum angeben, dieses ist allerdings nicht einmal eine zwingende Voraussetzung. Fehlerhafte, unzureichende und erst später aufgetauchte eigenhändige Testamente führen in der Rechtspraxis häufig zu erheblichen Wirksamkeits- und Auslegungsproblemen.

Testament in den Niederlanden

Nach niederländischem Recht ist ein solches handschriftliches Testament nicht rechtswirksam. Das niederländische Recht erachtet nur eine letztwillige Verfügung unter Mitwirkung eines Notars (bzw. Konsuls) für zulässig, entweder im Wege eines notariell beurkundeten Testamentes oder im Wege eines privatschriftlichen Testamentes mit notarieller Hinterlegung.

Ausschlagung des Erbes

Jeder Erbe kann entscheiden, ob er das Erbe ausschlagen möchte. Diese Möglichkeit gibt es im deutschen und im niederländischen Recht. Hierbei gibt es jedoch Formalitäten und ggf. auch Fristen zu beachten.

 

Ausschlagung des Erbes in Deutschland

So muss die Ausschlagung in Deutschland gegenüber dem Nachlassgericht erklärt werden. Hierzu kann man bei dem zuständigen Nachlassrichter (Rechtspfleger) eine Ausschlagungserklärung abgeben oder man sucht einen Notar auf, der die Ausschlagungserklärung aufnimmt. Die Ausschlagungsfrist beträgt grds. sechs Wochen ab dem Zeitpunkt, in dem der Erbe vom Erbfall und dem Grund der Berufung erfährt. Liegt eine Verfügung von Todes wegen (z.B. Testament) zugrunde, beginnt die Frist erst mit der Bekanntgabe durch das Nachlassgericht. Hält sich der Erbe zur Zeit des Erbfalls im Ausland auf oder hat er seinen Wohnsitz ausschließlich im Ausland, beträgt die Ausschlagungsfrist sechs Monate. Schlägt der Erbe die Erbschaft aus, benachrichtigt das Nachlassgericht diejenige Person, der die Erbschaft infolge der Ausschlagung zukommt.

Ausschlagung des Erbes in den Niederlanden

Die Ausschlagung (verwerping) nach niederländischem Recht muss gegenüber der Geschäftsstelle (griffier) des Landgerichts ausdrücklich erklärt werden und bedarf der Eintragung in das Nachlassregister; sie wirkt auf den Zeitpunkt des Erbanfalls zurück. Die Ausschlagungserklärung kann formfrei erfolgen, muss aber unmissverständlich sein. Die Ausschlagung ist prinzipiell nicht an eine Frist gebunden (Ausnahme: Ausschlagung für einen Minderjährigen binnen 3 Monaten nach Erbfall).
Schlägt der Erbe aus, so kann er unter Umständen pflichtteilsberechtigt sein. Das gilt auch, wenn eine erbberechtigte Person z.B. durch Testament enterbt wurde. Nach deutschem Recht können die Abkömmlinge, der überlebende Ehegatte und auch die Eltern des Erblassers pflichtteilsberechtigt sein. Nach niederländischem Recht sind nur die Abkömmlinge pflichtteilsberechtigt.

Fragen zum Erbrecht in Deutschland und den Niederlanden?

Bei weiteren Fragen zum Erbrecht in Deutschland und den Niederlanden nehmen Sie gerne Kontakt auf mit unseren Anwältinnen für Familien- und Erbrecht:
bzw. Telefonzentrale 0031 53 484 0000.
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