Nehmen Sie gerne Kontakt auf mit
M.M.J. (Mink) Severiens LLM
M.M.J. (Mink) Severiens LLM niederländischer Anwalt
Logo
shutterstock 1172091823 Kopie 2

Sanierungsverfahren Niederlande (WHOA) geändert

Lesezeit: 5 Minuten | Datum der Publikation: 31-01-2022 | Typ: Blog/Artikel

Haben Sie bzw. Ihre Kundschaft mit dem WHOA (eine Art niederländisches Schutzschirmverfahren) zu tun? Am 9. Januar 2022 trat eine Änderung der Europäischen Insolvenzverordnung („EuInsVO 2015") in Kraft: Mit der Verordnung (EU) 2021/2260 wurde das WHOA (Wet homologatie onderhands akkoord) in Anhang A der Insolvenzverordnung der Niederlande aufgenommen. Damit gelten die Vorschriften der Insolvenzverordnung auch für das öffentliche Vergleichsverfahren außerhalb des Konkurses. Die Anwendbarkeit der EuInsVO 2015 auf das öffentliche Verfahren bringt eine Reihe wichtiger Änderungen mit sich mit.

WHOA Niederlande

Das bisherige WHOA vom 01. Januar 2021

In den Niederlanden ist am 1. Januar 2021 ein Sanierungsverfahren, das so genannte ‚WHOA‘ (auf Niederländisch: Wet homologatie onderhands akkoord) in Kraft getreten. COVID-19 hat dabei eine wichtige Rolle gespielt. Mit dem WHOA wurde eine neue Regelung in das Konkursgesetz aufgenommen, die es Schuldnern ermöglicht, Schulden durch das Angebot eines privaten Vergleichs zu begleichen.
Eine Besonderheit dieser Regelung ist, das der Vergleich auch Gläubiger binden kann, die dem Inhalt des Vergleichs nicht zugestimmt haben. Darum wird die Regelung auch als Zwangsvergleich (dwangakkoord) bezeichnet. Neben dem Schuldner selbst können alle beteiligten Gläubiger, Anteilseigner, und Betriebsräte die Initiative zur Einleitung eines WH-Verfahrens ergreifen. Sie können dann beim Gericht die Bestellung eines so genannten Sanierungsexperten beantragen, der dann die Vereinbarung ausarbeitet und anbietet.
Das WHOA steht im Einklang mit der Richtlinie 2019/1023 (PbEU 2019, L 172/18). Diese Richtlinie wurde im Juni 2019 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht wurde. Diese Richtlinie verpflichtete die Mitgliedstaaten dazu innerhalb von zwei Jahren präventive Umstrukturierungsprogramme für Unternehmen einzuführen. Das Schutzschirmverfahren in Deutschland und das WHOA sind sich ziemlich ähnlich.
Das WHOA sieht zwei Verfahren außerhalb des Konkurses vor, in denen bei drohender Zahlungsunfähigkeit eine Einigung erzielt werden kann: ein nicht öffentliches Vergleichsverfahren und ein öffentliches Vergleichsverfahren. Ein nicht öffentliches Vergleichsverfahren findet (weitgehend) unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Eine Einigung kann dadurch in relativer Ruhe vorbereitet werden und z.B. ein Imageschaden vermieden werden.



Die Änderungen vom 09. Januar 2022

Die möglichen Vorteile des öffentlichen Vergleichsverfahrens waren bisher weniger offensichtlich, aber das hat sich - wie bereits zuvor erwähnt - am 9. Januar 2022 geändert.

1.Änderung - Anerkennung im EU-Ausland
Zunächst einmal wird ein homologierter WHOA-Vergleich gemäß Artikel 32 Absatz 1 der EuInsVO 2015 in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union anerkannt. Darüber hinaus werden Gerichtsentscheidungen, die in öffentlichen WHOA-Verfahren ergehen, auch in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union automatisch anerkannt. Das Obengenannte gilt übrigens nicht für Dänemark.
Diese automatische Anerkennung bietet einen großen Vorteil, wenn die Gläubiger des Restrukturierungsschuldners außerhalb der Niederlande, aber innerhalb der Europäischen Union ansässig sind. 
WHOA-Vereinbarungen, die in einem nicht öffentlichen Verfahren erzielt werden, werden nicht automatisch in anderen Mitgliedstaaten anerkannt.

2. Änderung - Zuständigkeit
Die Änderung der EuInsVO 2015 hat auch Auswirkungen auf die Zuständigkeit der niederländischen Gerichte in öffentlichen Verfahren. Gemäß Artikel 369 Absatz 7 der niederländischen Konkursordnung gelten die Zuständigkeitsvorschriften der EuInsVO 2015 für öffentliche Verfahren. Dies bedeutet, dass das niederländische Gericht zuständig ist, wenn sich der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen des Schuldners (der "COMI" - centrum of main interest) in den Niederlanden befindet. Hat ein ausländischer Schuldner sein COMI in einem anderen europäischen Mitgliedstaat, aber eine Niederlassung in den Niederlanden, so ist das niederländische Gericht ebenfalls zuständig. Allerdings ist das WHOA dann auf die in den Niederlanden befindlichen Vermögenswerte beschränkt.
Bevor das öffentliche Verfahren in Anhang A der EuInsVO 2015 aufgenommen wurde, wurde die Zuständigkeit des niederländischen Gerichts sowohl für das öffentliche als auch für das geschlossene Verfahren auf der Grundlage von Artikel 3 der niederländischen Zivilprozessordnung (Rv) festgelegt. Für die Beurteilung der Zuständigkeit im abgeschlossenen Verfahren oder wenn sich der COMI außerhalb der Europäischen Union befindet, dient Artikel 3 Rv weiterhin als Leitlinie. Der Grund dafür ist, dass die privaten Verfahren nicht in Anhang A aufgeführt sind.

3. Änderung - Anhang B
Zusätzlich zu der oben genannten Änderung wurden der sog. Sanierungsexperte und der sog. Beobachter in öffentlichen Verfahren ab dem 9. Januar 2021 als Insolvenzverwalter in den Anhang B der EuInsVO 2015 aufgenommen. Ihre Aufnahme in Anhang B bedeutet, dass sie in der gesamten Europäischen Union anerkannt werden, was ihnen bei der Erfüllung ihrer Aufgaben helfen wird.

Fazit

Abschließend lässt sich sagen, dass die Aufnahme des öffentlichen WHOA-Verfahrens in Anhang A der EuInsVO 2015 europäischen Schuldnern mit einem COMI in den Niederlanden die Möglichkeit bietet, alle Schulden gegenüber europäischen Gläubigern in einem einzigen WHOA-Verfahren vor dem niederländischen Gericht zu sanieren. Diese Möglichkeit wird also zu erheblichen Kosteneinsparungen bei Umstrukturierungen mit europäischer Dimension führen.

 

Fragen zum niederländischen Sanierungsverfahren?

Interessieren Sie sich für niederländische Insolvenzverfahren? Nehmen Sie gern auf Deutsch Kontakt auf mit unserem Spezialisten für Insolvenzrecht, Herrn Mink Severiens, via severiens@damste.nl oder +31 6 53 77 60 53.

Diese Information teilen: